Macht Social Media inkompetent?

Eigentlich seit ich mich erinnern kann, bin ich im Internet unterwegs. Ich habe viele tolle Menschen darüber kennen gelernt und Tonnen an Informationen gesucht, gefunden und verarbeitet.

Mit Blick auf soziale Medien und die Content Economy mache ich mir allerdings zunehmend Sorgen, was soziale Netzwerke mit unseren menschlichen Fähigkeiten anstellen – vor allem, wenn es um tiefgreifende fachliche Kompetenzen geht.

Also Wissen & Fähigkeiten, wo seriöse Menschen sagen „Von A bis B sowie in den spezifischen Fällen x, y, z kann ich dir helfen. Wenn es um etwas anderes geht, frag gerne jemand anderen.“

Zunächst war ich mir nicht sicher, ob das nur meine verquere Wahrnehmung ist, aufgrund von zu viel Beschäftigung mit der Investment und Startup Bubble.

Aber nachdem mir Freundinnen & Freunde die gleichen Dinge aus ihrem Umfeld berichtet haben, bin ich mir sicher: Social Media knabbert an der Kompetenz.

Der Aufbau von spezifischem Wissen, das Sammeln von Erfahrungen und die schmerzhaften Schritte bis z.B. ein Unternehmen mal steht, brauchen vor allem eins – Zeit.

Und das passt nicht zur Aufmerksamkeits-Spanne und Verhaltensweise von Social Media Nutzern, die vor allem schnell entertaint werden wollen und nach gegenseitiger Bestätigung suchen.

Auch ist bekannt, dass in der Social Media Blase manche Themen sexy sind und andere nicht.

Mit ein Grund dafür, warum ich zum Beispiel vollständig bekleidete Unternehmerinnen immer wieder aufwändig suchen muss, wenn ich mein Netzwerk erweitern möchte.

Wo der eine also jahrelang damit hadert, sich mal „Experte“ auf die Visitenkarte zu schreiben, legen andere einfach den Schwerpunkt hauptsächlich auf die Fassade – und kommen damit auch erst einmal durch.

Denn wer setzt sich nach dem Social Media Konsum schon hin und recherchiert die Hintergründe?

Das solten eigentlich die „klassichen“ Medien tun. Aber auch sie verlieren in einer Welt voller Content Creatoren an Schärfe.

Ich war immer davon ausgegangen, dass bei Menschen die journalistisch arbeiten ein besonderer Recherche-Aufwand sowie der Blick auf Hintergründe sowie globale Zusammenhänge zum Berufsethos gehört… und habe dann mal aus Interesse angefangen, gehypte Geschäftsmodelle auf Grundlage von öffentlich verfügbaren Daten nachzurechnen. 

Noch schlimmer wird das Ganze, wenn Influencer sich gegenseitig feiern.

Die Grenze zwischen kritischem Interview und ungekennzeichneter Dauerwerbe-Sendung verschwimmt und wer sich nach den Arbeitsblättern in der Schule mit Medienkompetenz nicht mehr befasst hat, geht baden.

Was interessanterweise in komplettem Gegensatz zu sämtlichen Bewegungen rund um nachhaltiges Handeln und Transparenz steht, die ebenfalls in den sozialen Medien enormen Zuspruch bekommen. 

Im schlimmsten Fall entstehen so „Influencer turned Entrepreneurs“, die der interessierten Followerschaft ein transparentes/ grünes/ nachhaltiges Produkt verkaufen wollen, aber denen hintenrum die Kompetenz fehlt, das Ganze so auch umzusetzen und zu managen – oder die gar nicht genug Unternehmens-Anteile haben, um überhaupt einen Einfluss auf das Geschäftsmodell zu haben.

Wo das enden kann, sehen wir aktuell immer wieder, wenn doch mal investigativ nach-recherchiert wird. Und ich denke, die Fälle Fynn Kliemann und Frank Thelen werden nicht die letzten sein, wo zwischen verkaufter Fassade und operativer Umsetzung eine Lücke klafft – zum Schaden der eigenen Fans und Follower.

Medien- und Digitalkompetenz – auch bei Medienschaffenden – ist wichtiger denn je.

Für Follower/innen, Anleger/innen und Unternehmer/innen gilt, sich nicht rein auf Personen-Marke und Reichweite zu verlassen, sondern zusätzlich zu recherchieren, Empfehlungen einzuholen, Fragen zu stellen.

Spätestens, wenn es an die eigene Geldbörse geht.

Autor: Carolin Desirée Töpfer