Programmieren lernen um die eigene Zukunft zu sichern!?

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In den letzten Jahren bin ich immer wieder angesprochen worden, was denn ein guter Einstieg in die Programmierung sei. Von Menschen, die sich selbst weiterbilden möchten, aber auch von Eltern, die ihren Kindern mehr digitale Fähigkeiten vermitteln möchten, als das in der Schule getan wird.

Ich habe selber relativ früh angefangen, mich mit Computer Hardware und Software zu beschäftigen. Meine erste große Liebe galt dabei allem, was sich bewegt hat oder man nachher als Website mit Features ins Internet stellen konnte. Das war Anfang der 2000er Jahre aber auch noch relativ übersichtlich und leicht zu erlernen. Wie wichtig so ein grundlegendes Verständnis für die Funktionsweise hinter den digitalen Dingen und Anwendungen ist, habe ich tatsächlich erst viel später bemerkt.

Will ich das überhaupt?

Die allerwichtigste Grundlage ist aber wahrscheinlich die persönliche Einstellung: Finde ich Computer und Technik überhaupt so spannend, dass ich mich ganze Tage und Nächte damit auseinandersetzen möchte?

Im Gegensatz zu anderen Hobbies, lassen sich Coding- oder Maker-Sessions nicht in 30, 45 oder 60 Minuten Slots für ein bis zwei Mal die Woche einteilen. Natürlich kann man mal mit einem Schnupperkurs in dem Umfang starten. Aber wer erste eigene Projekte umsetzen und wirklich etwas lernen will, der braucht dafür Zeit. Und um diese Zeit zu opfern, braucht es erst einmal eine intrinsische Motivation. Das gilt für Kinder genauso wie für Erwachsene.

Dazu kommt eine gewisse Frustrations-Toleranz. Egal woran man arbeitet, das meiste funktioniert erst einmal nicht so, wie man sich das gedacht hat. Und der Erfolgsfaktor stellt sich oft erst ganz am Ende ein, wenn alles (zumindest für einen gewissen Zeitraum, bis zum nächsten Update) einwandfrei funktioniert. Dazwischen liegt eine lange Durststrecke. Da heißt es: dranbleiben, manchmal über Jahre.

Als Erwachsener kann man sich ja hin und wieder ganz gut selbst motivieren – oder zwingen.

Bitte machen Sie das nicht mit ihrem Kind!

Jeder Mensch hat spannende Talente. Und auch um in der digitalen Welt gut zu leben, muss es nicht immer ein tiefes Interesse an Technik sein (ein grundlegendes Interesse ja, aber Zwang macht das Thema nicht spannender). Machen Sie als Eltern Angebote zu dem Thema, aber warten Sie dann auch darauf, dass diese angenommen werden. Bitte.

Meine Eltern fanden es übrigens meist gar nicht so lustig, wenn ich nachmittags direkt nach der Schule vor dem Rechner saß und die Rolladen in meinem Kinderzimmer runtergelassen habe, damit die Sonne sich nicht im Bildschirm spiegelt. Andere Zeiten.

Was soll ich denn lernen?

Gehen wir mal davon aus, Interesse, Motivation und ausreichend Zeit sind vorhanden. Dann ist häufig die nächste Frage: Mit welcher Programmiersprache soll ich mich denn beschäftigen?

Und an dieser Frage sehen wir dann, welche komischen Vorstellungen vor allem Unternehmen und Recruiter mittlerweile von allem Technischen haben. Für den echten Techie stellt sich immer erst die Frage „Was will ich machen? Welches Problem will ich lösen?“ und dann schaut man sich um, welche Umgebung und Sprache dafür geeignet wäre, beschäftigt sich damit, probiert Neues aus und verwirft dann auch vielleicht mal alles wieder, um es ganz anders zu machen.

So ergibt sich dann quasi nebenbei ein nachhaltiger Lerneffekt. Aus meiner Sicht auch besonders wichtig: Auf diese Art setzt man sich mit dem kompletten Umfang des Projekts auseinander.

Einmal von Anfang, bitte!

Der Run auf einzelne Insel-Fähigkeiten hat in den letzten Jahren nach meiner Beobachtung dazu geführt, dass sich kaum noch jemand umfangreich mit artverwandten Themen, Hardware und Schnittstellen beschäftigt. Klar, in Unternehmen macht das Sinn, das einer für die Bereitstellung einer sicheren Hardware und Produktionsumgebung zuständig ist und jeder Programmierer bzw. Teams an einer spezifischen Aufgabe arbeiten – alle als Teil eines großen Ganzen. Auch dort sorgt diese Arbeitsweise aber für viele Grauzonen. Und ich fange jetzt gar nicht erst mit Sicherheitslücken an…

Projekt 1: Hardware näher betrachten 

Wer sich selbst oder seinem Kind ein – aus meiner Sicht sinnvolles – Verständnis für (Zukunfts-)Technologien vermitteln möchte, erreicht wahrscheinlich am meisten mit einem alten aber noch brauchbaren Laptop (natürlich nachdem die Daten gesichert und der Rechner gesäubert wurde; wer keinen mehr rumliegen hat, kommt mit etwa 200 Euro Budget online oder im Fachmarkt schon sehr weit). Sind die Kinder etwas älter oder handelt es sich um Ihr eigenes Weiterbildungs-Projekt, den Rechner einfach mal komplett leer machen.

Anmerkung:

Hier geht es tatsächlich um einen voll funktionstüchtigen Laptop mit Nicht-Touch-Bildschirm und Tastatur – kein Tablet, kein Smartphone. Viele Kinder und Jugendliche sind mit den vermeidlich smarteren Geräten aufgewachsen. Die sind auch super – für Anwender. Wer Gestalter der digitalen Welt werden möchte, sollte mit der Oldschool Variante anfangen. Es gibt übrigens auch noch schöne Tower Modelle zum selbst zusammenstellen, Stichwort: Gaming Ecke.

Die erste Herausforderung ist dann, das Betriebssystem (z.B. Linux) zu installieren und alles ans Laufen zu kriegen. Auf dem Weg dahin lernt man wichtige Grundlagen:

  • alles Technik-Geheimnisse stehen irgendwo im Internet > früher gab’s dafür vor allem Foren, heute Google und Plattformen wie GitHub oder Stackoverflow
  • man muss sein Problem nur konkret beschreiben – am besten auf Englisch – und irgendwer auf dieser Welt wird antworten und weiterhelfen
  • gerade Tech Basics sind auf zahlreichen Websites in wirklich hilfreichen Schritt-für-Schritt Anleitungen verewigt

[Wenn Ihr Kind momentan noch eher mit dem Englischen hadert, als mit dem Technik-Interesse: in der Schule werden relevante Vokabeln nicht gelehrt. Hier können Eltern sinnvoll unterstützen, z.B. mit entsprechenden Lernapps, Wissenschafts-Serien und Büchern in der Fremdsprache.]

Kleine Hilfestellung

Was genau lernen wir denn jetzt?

Nehmen wir an, alle haben Projekt 1 erfolgreich abgeschlossen, aber es fehlt noch die Inspiration für ein erstes eigenes Projekt.

Dann gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Block und Stift und kreativ werden!

Auch die krassesten Welt verändernden Erfindungen haben damit begonnen, dass jemand das im Kopf mal durchgegangen ist und sich die ein oder andere Skizze gemacht hat. Funktioniert auch super für Tech Projekte. Wie soll das Ding (Website, App, Mini-Roboter, selbstgebauter Computer, was-auch-immer) am Ende aussehen? Was sind die grundlegenden Funktionen? Wie können Nutzer mit dem Ding interagieren und es steuern?

  • Vorbereitete Kurse/ Boxen/ Angebote

Gerade für Kinder gibt es immer mehr Angebote. Grundsätzlich können Kinder sich mit den gleichen Themen beschäftigen wie Erwachsene auch. Es kommt halt immer aufs Kind an (siehe oben). Wer sich für seinen Nachwuchs aber gerade am Anfang etwas mehr Anleitung und Begleitung wünscht, der kann nach Programmier-Kursen in seiner Stadt suchen, oder in der Spielzeugabteilung fündig werden.

Für Erwachsene ist besonders die Auswahl von Online-Kursen schwierig. Die meisten richten sich an komplette Beginner. Wer bereits Grundlagen mitbringt oder in einer anderen Sprache programmieren kann, langweilt sich schnell. Wenn ich eine neue Sprache lernen will, stelle ich mir mein Curriculum gerne aus verschiedenen Quellen selber zusammen. Das ist etwas aufwendiger in der Vorbereitung, macht aber mehr Spaß.

Eine ganze Liste mit spannenden Lern-Quellen gibt es unter diesem Beitrag!

Warnung:

Ich habe es als Kind gehasst, sinnlosen Kram lernen zu müssen, der im realen Leben keine Relevanz hat. Auch wenn zu viele kitschige kleine Tierchen und Figürchen mitgespielt haben, war ich raus. Technik und Programmier-Umgebungen sind vielleicht nicht immer hübsch und Instagram-tauglich – und auch für Kinder nicht gegendert! (also in der Grundlage ein nicht-diskriminierender Freiraum) Trauen Sie sich und/ oder Ihrem Kind zu, sich damit auseinanderzusetzen. Etwas zu lernen, mit dem man in der Welt wirklich etwas bewegen kann, ist für den Nachwuchs-Techie viel wichtiger als der Deko-Faktor!

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Ein paar Ideen & Inspirations-Quellen

Für Kinder, die mal schnuppern möchten:

> Fablabs & Maker Spaces – gibt es mittlerweile in vielen größeren Städten weltweit, einfach nach Kursen für (Schul-)Kinder fragen

> Haba Digitalwerkstätten – gibt es in vielen Städten in Deutschland

> Familien-Newsletter mit Hilfe von selfhtml.org erstellen; einfach einen Ordner und eine .html-Datei erstellen und loslegen!

Für Kinder, die Feuer gefangen haben:

> Lego Mindstorms… fand ich damals auch super, die richtig tollen Sensorkits gehen leider etwas ins Geld…

> Calliope und andere Technik-Boxen für Kinder – auf Kickstarter gibt es auch hin und wieder spannende Projekte

> Website bauen, z.B. im Anschluss an das Newsletter-Projekt – dürften interessierte Kinder aber auch alleine drauf kommen. 😉

Für erwachsene Einsteiger:

> ebenso Fablabs & Maker Spaces

> Bücher (z.B. die …for Dummies Reihe oder kurz & gut von O’Reilly); nach meiner Erfahrung lohnen sich vor allem Taschenbücher, die man dann durchblättern kann, wenn man z.B. im Zug mal kein Internet hat. Persönlicher Fehlkauf: Java ist auch eine Insel; wiegt ein paar Kilo und sieht hübsch aus, habe ich aber kaum mit gearbeitet.

> Online-Kurse + Projekt: Bei digitalen Kursen unterschätzen viele die Selbst-Organisation, die für einen tatsächlichen Lerneffekt nötig ist. Um einen ersten Eindruck zu bekommen, sind viele ganz in Ordnung. Wer wirklich tief in die Thematik einsteigen möchte, sollte sich aber dann mit dem Kurs, den anderen Materialien und der vorbereiteten Technik ein paar Tage einsperren, um wirklich auch in die Umsetzungs-Phase zu kommen.

Für Fortgeschrittene:

> Weiterführende Bücher, z.B. von O’reilly (unbezahlte Werbung – aber die sind einfach brauchbar) zu bestimmten Themen; das zu „Clean Code“ kann ich Themen übergreifend besonders empfehlen.

> Eigenes Curriculum zusammenstellen: Zeitplan, Material, Ziel; erfordert ggf. einiges an Recherche, macht das Lernprojekt aber interessanter.

> Business Projekt: quasi die Advanced Version des Lernprojekts. Beinhaltet zusätzliche Aspekte, weil am Ende ja nicht nur der Lerneffekt, sondern ein fertiger Prototyp bzw. ein Produkt steht.

Zur beruflichen Weiterbildung:

> Intensiv-Kurse: Bildungsurlaub, Weiterbildungs-Stipendien, Bildungsprämie, Aufstiegsbafög… werfe ich an dieser Stelle mal in den Raum, mehr Infos gibt’s beim BMBF

> Diverse Bildungsangebote on the Job: Falls der Arbeitgeber noch nichts im Angebot hat, am besten selber auf die Suche gehen und dann konkret einen Kurs inkl. Budgetplan anfragen (am besten mit Zertifikat – sorry, zumindest in Deutschland).

> Studium: Wer konkrete Pläne hat (wie ich z.B. im Bereich Bionik) und Zeit investieren möchte, kann auch noch mal zurückgehen an die Uni.

Meine Erfahrungen dazu:

  1. Realistisch sein: Zweitstudium in Regelstudienzeit ist neben einem Vollzeit-Job eher utopisch. Doppelt so viele Semester wie die angegebene Regelstudienzeit sind eine ganz gute Faustformel.
  2. Fernstudium fand ich inhaltlich und vom Sozialen her langweilig. Ich finde es ganz gut, zumindest hin und wieder den Campus zu besuchen. Da ist wahrscheinlich jeder unterschiedlich.
  3. Im Erststudium habe ich auf vieles verzichtet und in mein Studium investiert; im Zweitstudium war für mich von Anfang an wichtiger, dass ich aus dem Studium das mitnehmen kann, was ich brauche. Das zeigt sich bei mir vor allem in der Kursauswahl.

Autor: Carolin Desirée Töpfer